Gleich zu Anfang eine kleine Warnung. Die progressive Muskelentspannung ist nicht für jeden geeignet. Bei Schwangerschaft und Herzproblemen solltest du immer einen Arzt befragen, ob du die progressive Muskelentspannung anwenden darfst.
Nun zur Praxis: Bei der progressiven Muskelentspannung ist die Idee, dass, wenn man einen Muskel erstmal fest anspannt, er sich danach wie von selbst wieder entspannt. Aber vor allem wenn man unter Dauerspannung steht und zum Beispiel ständig die Schultern hochzieht oder die Zähne zusammen beißt, weil man Stress hat, dann merkt man es selbst irgendwann gar nicht mehr.
Bei der progressiven Muskelentspannung lernt man daher erstmal wie es sich überhaupt anfühlt, wenn man aktiv und willentlich anspannt im Vergleich zum aktiven Entspannen danach. So bekommst du ein besseres Gefühl dafür, wann ist ein Muskel angespannt und wann ist er entspannt. Es gibt aber auch Menschen, die so unter Spannung stehen, dass selbst nach der aktiven Anspannung der Muskel nicht komplett entspannt werden kann. Hier braucht es eine Weile Übung.
Beginne damit dich entweder bequem in einen Sessel oder auf einen Stuhl zu setzen (Geht auch im Bürostuhl in der Mittagspause) oder dich hinzulegen. Dann spanne entweder nur eine Hand zu einer Faust an und lasse sie dann bewusst wieder locker oder du nimmst gleich beide Hände, wenn du etwas geübter bist oder Zeit sparen möchtest.
Wichtig ist, die Entspannung wirklich zu fühlen, also nicht im Sekundentakt anspannen und entspannen wie im Fitnessstudio, sondern anspannen, langsam bis 5 zählen, dann entspannen und die Entspannung bewusst wahrnehmen 10-15 Sekunden lang. Es kann, wie gesagt, eine Weile dauern, bis man die Entspannung wirklich wahrnehmen kann.
Wenn das mit den Händen gut klappt, dann gehst du weiter, spannst die Unterarme an und lässt los, dann die Oberarme, dann die Schultern hochziehen und wieder fallen lassen. Im Liegen kann man auch die Schultern von den Ohren wegschieben, die Arme anheben und dabei die Finger mal auseinanderspreizen und dann alles wieder fallenlassen.
Dann die Schulterblätter zusammenschieben und wieder locker lassen, die Pobacken anspannen, die Füsse, die Schienbeine und Waden, die Oberschenkel nacheinander anspannen und entspannen.
Und auch das Gesicht kann man komplett anspannen und wieder entspannen, indem man ein Zitronengesicht macht, alle Muskeln zur Nasenspitze zieht, die Augen zukneift und die Lippen spitzt. Dann die Augen und den Mund weit aufreißen, die Zunge rausstrecken und danach alles wieder entspannen.
All das kann entweder einzeln, abwechselnd rechts und links angewendet werden, wenn man seine Muskeln noch nicht so gut erspüren kann oder, wenn du es dann schon geübt hast, auch in Gruppen, beide Arme, beide Beine, den ganzen Rumpf oder sogar den ganzen Körper auf einmal.
Wie bei jeder Entspannungsübung nützt es natürlich nichts, das nur einmal pro Woche zu machen. Die Übungen regelmäßig, am besten täglich oder sogar mehrmals, in den Alltag einzubauen ist wichtig. Es kann eine Kurzform sein, also zum Beispiel einmal den gesamten Körper von oben bis unten anspannen und dann wieder bewusst loslassen dauert gerade mal 30 Sekunden. Also lieber häufiger am Tag eine kurze Übung als Abends eine Stunde lang. Oder wenn du merkst, dass du oft die Schultern anspannst, dann mach das ein paar Mal zwischendurch ganz bewusst und lasse sie dann aber auch ganz bewust wieder vollkommen entspannen.
Auch die Atmung spielt eine große Rolle beim Entspannen. Du kannst tief durch die Nase einatmen beim Anspannen oder auch kurz die Luft anhalten und dann beim Entspannen tief und lange ausatmen. Hier kommt es nicht so sehr darauf an ob du durch Mund ader Nase ausatmest. manchmal entspannt ein Seufzer besser als langes Ausatmen durch die Nase. Spür da einfach rein, was von selbst kommen will.
Ein weiteres Tool zur Entspannung kann auch ein Trigger-Wort sein, dass du jedes Mal wenn du nach dem Anspannen die Muskeln wieder entspannst, sagst oder denkst. Also zum Beispiel "Ruhe", oder "Entspannung" oder "loslassen". Dieses Wort wird dann in deinem Unterbewusstsein mit dem Gefühl der Entspannung verknüpft und wenn du es lange genug angewendet hast, kannst du dann einfach mit dem Wort sofortige Entspannung herbeiführen ohne vorher die Muskeln anspannen zu müssen.
Probier für dich aus, was am besten passt und was du am einfachsten in dein Leben integrieren kannst. Es macht keinen Sinn, sich vorzunehmen jeden Morgen 30 Minuten zu meditieren, wenn man nach 3 mal merkt, dass es einfach nicht in den Zeitplan passt und man dann wieder aufgibt. Lieber nur 5 Minuten morgens meditieren und/oder mittags ein bisschen progressive Muskelentspannung im Büro und abends im Bett noch kurz autogenes Training vorm Einschalfen ist dann vielleicht praktikabler.
Für eine genaue Anleitung bzw. geführte Kurse, um erstmal reinzufinden in die Methoden, melde dich gerne bei mir oder bei Kollegen die Entspannungskurse anbieten.
Im 4. Teil gehe ich noch mehr auf die Atmung ein und was es noch für Möglichkeiten gibt, sich zu entspannen. Sei gespannt aber besser nicht verspannt ;-)